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Friedensgebet - montags im Netz

27.04.2020

Ich erzähle die Geschichte, die die Pastorin, die vor kurzem im Fernsehen das Wort zum Sonntag hielt, erzählt hat. Es ist das „Gleichnis von Barmherzigen Samariter“ (Lukas 10, 30 – 37). Jesus beginnt: Ein Mensch war unter die Räuber gefallen und lag ausgeraubt, zerschlagen und hilflos am Boden. Zwei Vertreter der Religionsbehörde kamen vorbei und gingen, ohne dem Menschen zu helfen, vorbei.

Die Pastorin bezog dieses Gleichnis auf das Verhalten der Europäischen Union. Sicher, im Augenblick kostet die Bewältigung der durch das Corona Virus ausgelösten Pandemie alle Kraft und schluckt die Aufmerksamkeit für alle anderen Aufgaben. Sicher, die gemeinsame Anstrengung der europäischen Staaten im Verein mit anderen Staaten außerhalb Europas gegen diese globale Bedrohung ist notwendig. Doch auch, wenn wir angestrengt den Blick auf diese Gefahr richten müssen, so dürfen wir die anderen Probleme unserer Welt nicht aus den Augen verlieren. Denn diese Probleme sind da und bleiben trotz Corona - Pandemie erhalten oder werden durch diese Pandemie sogar verstärkt. Noch immer leben in den Lagern in Griechenland Flüchtlinge unter erbärmlichen Bedingungen, zusammengepfercht mit mangelnder Hygiene und in der Enge durch das tödliche Virus bedroht.  Die Europäische Union schaut weg. Die europäischen Staaten haben schon weggeschaut, als sie die überforderten Länder im Süden mit der Verantwortung für die Flüchtlinge allein ließen. Griechenland setzt das Asylrecht aus. Die Europäische Union schaut weg und lässt den Bruch des Völkerrechtes geschehen. Im Mittelmeer ertrinken Menschen. Die Europäische Union schaut weg, rüstet ein Kriegsschiff aus, das ausdrücklich den Befehl hat, nur in dem Bereich zu patrouillieren, wo keine Flüchtlinge, die man nach Seerecht als Schiffbrüchige an Bord nehmen müsste, zu erwarten sind.

Wir beten, wenn wir das Friedensgebet halten, um Gerechtigkeit und Frieden in der Welt. Aber vielleicht sollten wir nicht nur leise beten, sondern lautstark schreien, gegen das Unrecht protestieren, Leserbriefe und Briefe an unsere Bundestagsabgeordneten schreiben, Mahnwachen halten, unsere Europäische Union daran  erinnern, dass sie eine Werte- Gemeinschaft ist, dem Völkerrecht und den Menschenrechten verpflichtet.

Der arme Mann in dem Gleichnis Jesu erhielt Hilfe, weil ein Reisender zufällig vorbeikam und Mitleid hatte, obwohl dieser Reisende als Bürger Samarias für Hilfe in Judäa nicht zuständig war. Hilfe von den zuständigen Vertretern der Religionsbehörde erhielt der arme Mensch am Rande der Straße nicht. Vielleicht sollten wir die nicht zuständigen Organisationen, die Nicht-Regierungs-Organisationen, die sich ohne Auftrag und angefeindet der hilflosen Menschen annehmen, unterstützen und in ihrer Arbeit wertschätzen, Ärzte ohne Grenzen beispielsweise oder im Mittelmeer private Rettungsschiffe,  weil sie die Arbeit tun, die unsere zuständige Europäische Union nicht tut.

Gewiss dürfen wir in der Pandemie, die uns Angst macht, um Bewahrung für uns selbst beten. Aber wir sollten in unserer Angst um uns selbst nicht die vergessen, die Not leiden und auch Angst haben. Unser Gebet sollte ihnen Sprache geben.

Gott, wir beten für uns selbst,
für unsere Familien, unsere Freunde, unsere Gemeinden.
Wir beten, dass wir von dieser schlimmen Krankheit Covid-19 verschont bleiben, für die Menschen, die erkrankt sind, bitten wir um Genesung.

Zugleich aber beten wir für die Menschen, die wir nicht kennen, doch deren Leid uns in Bildern nahegebracht wird.

Wir beten für die Flüchtlinge auf den Inseln Griechenlands, die Syrer, Afghanen, Äthiopier und Menschen aus anderen afrikanischen Staaten, die aus Not und Bedrohung geflohen sind und nun im Dreck, in Mangel und Enge festsitzen und ihre Zuversicht verlieren.

Wir beten für die Bewohner dieser Inseln, die mit der Aufnahme der Vielen überfordert sind, die erleben, wie ihnen bei Müll und dreckigen Stränden der Fremdenverkehr, ihre Existenzgrundlage, wegbricht und die gegenüber den Flüchtlingen und allen, die diesen helfen, bösartig werden.

Wir beten für die Menschen in den überfüllten Flüchtlingslagern in Libyen, die von ihren Bewachern geschlagen, gefoltert, als Frauen vergewaltigt werden und die alle zusammen keine Hygiene haben und hungern.

Wir beten für die Menschen, die sich, um Not und Bedrohung zu entfliehen, auf das Mittelmeer wagen:  ihr bisschen Geld geben sie den Schleppern, steigen in überfüllte Boote, wissen, dass sie ertrinken können und, wenn sie entdeckt werden, zurück in das Folter-Lager in Libyen gebracht zu werden. Zugleich aber haben sie die irre Hoffnung, doch anzukommen, durchzukommen und vielleicht, wenn das Boot kentert, von einem Schiff aufgenommen und gerettet zu werden.

Gott, du kennst unsere Not, du kennst die Ängste von uns allen. Wir nehmen dich bei deinem Wort, dass dein Schalom kommt. Lass uns nicht an dieser Zukunft zweifeln. Denn du, Gott, bist zu uns unterwegs.
Amen.

(Ursel Heinz, Pfarrerin i.R.)


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